Alte Fundstücke auf Alltagserinnerungen.de Jeden Tag verlöschen die Feuer der Erinnerung.
Damit sie nicht unwiederbringlich verloren gehen halte ich sie am Leben.
Heute: Gipsy Phonos Grammophon.
Gipsy Phonos. Heute habe ich Dir ein seltenes und schönes Fundstück mitgebracht. Ein echtes Stück für ein Museum, wenn Du so möchtest.
Aber immer der Reihe nach.
Begeben wir uns auf eine Zeitreise zurück in die „wilden 20-ziger Jahre“.
Eine Zeit im Umbruch. Vorbei die Zeit des leidvollen Krieges, aber geprägt vom wirtschaftlichen Abschwung möchte die Bevölkerung der europäischen Staaten sich von den Alltagssorgen ablenken.
In den großen Städten wie Berlin, Wien und Paris feiern große Revue-Theater ihre Erfolge und die Musik aus erfolgreichen Operetten dringt immer mehr in den Alltag der Menschen vor.
Bekannt war die „Haller-Revue“ in Berlin.
Hermann Haller veranstaltete diese im Admiralspalast mit klingenden Namen wie beispielsweise:
- 1923/24 „Drunter und Drüber“
- 1924/25 „Noch und Noch“
- 1925/26 „Achtung! Welle 505“
- 1926/27 „An und aus“
- 1927/28 „Wann und wo?“
- 1928/29 „Schön und Schick“
Und weitere Veranstaltungen.
Melodien wie „Zieh dich aus“, „Winkt dir ein Mund“ oder „Die kleinen Mädchen sind wie Sterne“ entstammen diesen begeistert besuchten Veranstaltungen.
Wenn auch sich längst nicht jede Familie einen Sprechapparat leisten konnte, so wurden Melodien aus Film und Bühnendarstellung immer mehr Bestandteile des Alltags.
Wer sich in seinen „Vier Wänden“ an einem Grammophon oder einem Walzenspieler erfreute, der konnte die Musik dort genießen. Immer ausgefeilter wurden die Geräte und auch Koffergeräte für unterwegs wurden populär.
Und jetzt kriege ich (hoffentlich) die Kurve zu meinem heutigen Fundstück.
Koffergrammophone waren schwer und immer noch unhandlich.
So verlegten sich viele Kluge Köpfe darauf diese Gerätschaften zu minimieren.
Es wurden die tollsten Wege gefunden, um die Apparate kleiner zu machen. Einige davon hast Du auf Alltagserinnerungen bereits gesehen und vielleicht folgen noch mehr davon.
Die musikinteressierte Frau von Damals wollte auch unterwegs Schlager wie von den Comedian Harmonists „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Ich wollt ich wär ein Huhn“ hören.
Vielleicht auch Zarah Leanders „Kann den Liebe Sünde sein“ oder Siegfried Arno mit seinem Lied „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt“.
Viele der Schlager aus dieser Epoche hatten einen humorvollen Grundton.
Was mir heute noch gefüllt, obwohl nicht alles mehr heute machbar wäre und zu Protesten führen würde.
Die Firma Gipsy Phonos, über die ich nichts weiter in Erfahrung bringen konnte als ihre Herkunft aus Paris, brachte in dieser Zeit um 1922 bis 1924 ein Grammophon auf den Markt welches durchaus „revolutionär“ war.
Im Trend um die Verkleinerung lagen sie damit weit vorn.
Das Gipsy misst in seinem Köfferchen gerade einmal 160x80x65 mm. Aussehen tut es geschlossen wie eine kleine Herrentasche. Selbst der Plattenteller misst nur 48 mm.
Es dürfte damit eines der kleinsten Grammophone sein, welche jemals verkauft wurden.
Bei seinem Erscheinen auf dem Markt hatte es den Titel des „….kleinsten Grammophon der Welt!“ inne.
Während der Hersteller aus Paris stammte, waren der Motor und die Schalldose wahrscheinlich Schweizer Erzeugnisse.
Alles kann in den kleinen Koffer zerlegt werden, sogar der Trichter ist faltbar.
Daher ist die Verarbeitung etwas filigran.
Das Federwerk läuft, aber es hat etwas seine Kraft verloren.
Ich möchte es nicht voll aufziehen, um die Feder nicht zu beschädigen.
Gleichzeitig auch nicht öffnen, denn hierzu müsste ich den verklebten Teil mit dem Motor abreisen.
Also lasse ich es wie es ist, ein seltenes und schönes Stück Vergangenheit.
Solltest Du in Gedanken feststellen, so etwas ähnliches habe ich auf Alltagserinnerungen schon einmal gesehen, dann liegst Du nicht ganz falsch.
Aber es war nicht das Gipsy, sondern das „Le Mignonphone“.
Dieses ist ähnlich aufgebaut, jedoch wesentlich größer und dennoch ziemlich klein ausgeführt.
Im Bild siehst Du den geschlossenen Koffer des Mignonphone hinter dem Gipsy stehen, da fällt es richtig auf. Wenn Du meinen Artikel hierzu verpasst hast, dann schaue hier nach.
Das kleine Gipsy kann nicht nur „normale“ Schellackplatten mit der Nadel abtasten.
Wenn man die Schalldose dreht, kann man einen Saphir einsetzen, um Pathé Platten zu spielen.
Noch die Worte der Gebrauchsanweisung gefällig?
- Man befestige die Kurbel in der Oeffnung der Stirnwand und ziehe auf bis Widerstand fuehlbar.
- Man setze den Plattenteller auf das Pivot, befestige die Gabel in dem rechts aussen befindlichen Oehr und sodann den Trichter an der Gabel
- Man stuelpe den Gummi an der Schmalseite auf den Trichter und stecke die Schalldose so tief als moeglich in den Gummi
- Man befestige die Nadel und setze die Schalldose unter einem Winkel von 45° auf die Platte auf. Bei Verwendung von Saphir befestige man diesen an Stelle der Nadel und gebe der Schalldose, ohne sie aus dem Gummi zu entfernen eine Vierteldrehung von sich weg
Interessant nicht?
Einziges Problem bei all der Minimierung waren die Schellackplatten.
So klein die Geräte auch seien, die Platten behalten eine gewisse Größe und sind zudem sehr empfindlich.
Während man sie bei größeren Koffergeräten im Koffer mitführen konnte, ist es hier notwendig einen Plattenkoffer oder ein Album mitzuführen.
Durchgesetzt hat sich die Konstruktion nicht,
aber schön ist es dennoch, das Gipsy Kleingrammophon.
Bleib interessiert
Ich grüße Dich
- Bilder aus dem Technikmuseum. - September 28, 2024
- Gipsy Phonos - September 19, 2024
- Technik Museum Sinsheim - September 8, 2024
Lieber Björn,
wirklch ein hübsches kleines Ding – und für mich besonders schön, da wir gerade im Urlaub das Vergnügen hatten einige Schellackplatten auf einem Grammophon zu hören … immer wieder etwas Besonderes.
Ich freue mich sehr, dass Du dafür sorgst, dass solche Schätze nicht ganz verloren gehen und in Erinnerung bleiben.
Liebe Grüße,
Isabella
Hallo Isabella,
es ist wirklich sehr schön, nur der Klang ist nicht ganz so gut wie bei den großen Modellen.
Aber macht ja nix, davon habe ich auch ein paar – vielleicht stelle sie irgendwann vor.
Ich versuche immer wieder etwas zu finden, allerdings muss ich etwas langsamer machen –
die Zeit fehlt ab und an.
Schöne Grüße
Björn